Aktueller Rechtstipp: Stolperfalle Scheinselbstständigkeit

Bei der Beschäftigung freier Mitarbeiter gibt es viele Vorteile für den Unternehmer, aber auch und Risiken.
Christine Harttmann

Gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten sind Unternehmer auf Flexibilität angewiesen. Um auf die schwankende Nachfrage reagieren zu können, bietet sich die Beschäftigung von freien Mitarbeitern an. Allerdings ist die Abgrenzung zwischen Arbeitnehmern und Selbstständigen in der Praxis oft schwierig. Welche Bestimmungen eingehalten werden müssen, um Nachzahlungen an die Sozialkassen zu vermeiden, erklärt die D.A.S. Rechtsschutzversicherung.

Unternehmer, die Selbstständige einsetzen, müssen damit rechnen, dass die Sozialkassen prüfen, ob die freien Mitarbeiter nicht in Wahrheit Scheinselbstständige sind. Dann kann es teuer werden: Im schlimmsten Fall muss der Arbeitgeber für das laufende Beitragsjahr und bis zu vier Jahre rückwirkend Sozialversicherungsbeiträge und Lohnsteuer plus Säumniszuschläge und Zinsen nachzahlen. Dazu kommen teils saftige Bußgelder. Ein Regress beim Arbeitnehmer ist nur eingeschränkt möglich. Darüber hinaus kann sich der Arbeitgeber nach § 266a Strafgesetzbuch strafbar gemacht haben (Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt).

In der Praxis ist es allerdings nicht so einfach, für Rechtssicherheit zu sorgen. Es existiert keine klare juristische Definition dazu, was genau ein Selbstständiger ist. Stattdessen entscheiden die Sozialgerichte anhand einer ganzen Reihe von Kriterien: Kann sich der Mitarbeiter seine Arbeitszeit selbst einteilen? Handelt er wie ein Unternehmer, trifft er also eigene Entscheidungen und trägt ein Unternehmerrisiko? Wirbt er für seine Tätigkeiten, etwa in Anzeigen oder mit einer Website? „Selbstständige sind in der Regel für mehrere Auftraggeber tätig“, erklärt Anne Kronzucker, Juristin bei der D.A.S. Rechtsschutzversicherung. „Es gibt allerdings auch Freie, die überwiegend von nur einem Unternehmen abhängig sind.“ Diese Mitarbeiter werden als arbeitnehmerähnliche Selbstständige bezeichnet (§ 2 S. 1 Nr. 9 SGB VI), sofern sie selbst keine versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen, die mehr als 400 Euro im Monat verdienen.

Bei den Arbeitnehmerähnlichen gelten besondere Bestimmungen: Sie haben im Gegensatz zu den richtigen Freien Anspruch auf bezahlten Urlaub (§ 2 Bundesurlaubsgesetz). Zudem sind sie in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtig, nicht jedoch in den anderen Zweigen der Sozialversicherung. Die Beiträge müssen sie allerdings in voller Höhe alleine zahlen. Ein Scheinselbstständiger dagegen ist ein Mitarbeiter, der seinem Vertrag zufolge selbstständige Arbeitsleistungen erbringt, tatsächlich aber wie ein abhängig Beschäftigter arbeitet. „Die Grenze zwischen Selbstständigkeit und Scheinselbstständigkeit verläuft fließend“, meint die D.A.S. Juristin. Eine Möglichkeit ist es, das Beschäftigungsverhältnis ungefähr einen Monat nach Arbeitsantritt des Selbstständigen zu klären.

Dazu können die Beteiligten gemäß § 7a I SGB IV ein Anfrageverfahren, teilweise auch als Statusfeststellungsverfahren bezeichnet, beantragen. Diese Anfrage ist jedoch nur möglich, solange die Sozialkassen ihrerseits noch kein Verfahren eingeleitet haben. Ansprechpartner ist die Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung Bund. Deren Gutachter stellt rechtsverbindlich fest, ob eine saubere Selbstständigkeit vorliegt oder nicht. Wenn die Entscheidung negativ ausfällt, kann sich der Arbeitgeber überlegen, wie er reagiert: Benötigt er den Mitarbeiter weiterhin, kann er ihn einstellen. Andernfalls muss das Beschäftigungsverhältnis beendet werden. „In der Praxis soll die Clearingstelle jedoch häufig gegen eine Selbstständigkeit entscheiden“, so die D.A.S. Expertin und empfiehlt unter Umständen eine kompetente unabhängige Rechtsberatung.

Die Betriebsprüfer der Sozialversicherungen bewerten bei ihren Überprüfungen vor Ort die Gesamtsituation des Mitarbeiters. Daher empfiehlt sich schon bei der Gestaltung des Vertrages über die Zusammenarbeit große Sorgfalt. „Vermieden werden sollten alle Formulierungen, die auf ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis schließen lassen“, rät Anne Kronzucker. Dazu gehört vor allem das Weisungsrecht des Arbeitgebers, aber auch die Pflicht zur Anwesenheit im Betrieb während der Arbeitszeiten oder ein Wettbewerbsverbot. Generell stehen bei freien Mitarbeitern Dienst- (§ 611 BGB) oder Werkverträge (§ 631 BGB) zur Auswahl.

Der wesentliche Unterschied ist, dass ein Werkvertrag genau festlegt, welche konkrete Leistung erbracht, welcher Erfolg also erzielt werden muss. Ein Dienstvertrag dagegen verpflichtet den freien Mitarbeiter nur, eine bestimmte Dienstleistung zu verrichten – unabhängig vom Erfolg (BGH, Az. X ZR 27/01). Doch die Abgrenzung fällt oft schwer, denn welche Bezeichnung im Vertrag steht, ist juristisch nebensächlich. Vielmehr ist der Wille der beiden Parteien ausschlaggebend (§ 133 BGB). Ob also ein Werkvertrag oder ein Dienstvertrag vorliegt, ist damit Auslegungssache und muss von den Gerichten im Einzelfall entschieden werden.

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