Elektromobilität: So fährt sich der neue StreetScooter Work XL

Mit Anlauf der Serienproduktion seines größten Modells gewährt die Post-Tochter eine erste Probefahrt mit dem vollelektrischen Zustellfahrzeug. Performance und Handling gehen in Ordnung, die große Akkukapazität überrascht.
Foto: DPDHL
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Johannes Reichel

Bei einer ersten Proberunde hat sich der StreetScooter Work XL als ausgereiftes Elektro-Fahrzeug erwiesen. Zwar lassen sich noch keine Rückschlüsse auf die Reichweite ziehen, die laut Hersteller mit der groß dimensionierten 76 kWh-Standard-Batterie bei bis zu 200 km liegen soll. Aber das Anfahr- und Beschleunigungsverhalten des Zustellfahrzeugs erscheinen durchaus praxistauglich. In der Performance platziert sich der große StreetScooter zwischen dem deutlich agileren, aber formal nur leicht überlegenen VW e-Crafter (136 PS, 290 Nm) und dem noch sanfter anrollenden Mercedes-Benz eSprinter, der allerdings erst im nächsten Jahr in Serie gehen soll. Der leer 2.900 Kilogramm inklusive 20-Kubik-KEP-Kofferaufbau schwere Work XL wird von dem 122-PS-Bosch-E-Motor per Antrieb auf die Vorderräder also ausreichend zügig auf moderates City-Tempo gebracht. Der diskret surrende Motor erweist sich als artentypisch leise, lässt aber mehr von sich hören als der Antrieb im e-Crafter - ohne, dass es allerdings wirklich störend wäre.

Das gilt schon eher für die lauten Rappelgeräusche, die aus dem Frachtraum dringen und die vielleicht noch mit der Serienfertigung optimiert werden. Klar, dass eine "aufgebrochene" Karosserie ohne Rückwand auch weniger steift wirkt wie eine selbsttragende Kastenwagenkonstruktion, für das Fahrzeugformat und den großvolumigen Aufbau geht die Verwindungssteifigkeit dem ersten Eindruck nach allerdings in Ordnung. Angenehm am großen Elektro-Zusteller: Das Fahrzeug rollt sanft und gut dosierbar an, sobald der Fahrer den Fuß von der Bremse löst. Die Fahrstufe legt man einfach mit der etwas "handgestrickt" wirkenden Schaltkonsole, ein Bauteil aus dem kleineren StreetScooter Work/L ein, was nur funktioniert, solange man auf der Betriebsbremse steht. Die Handbremse löst man wie bei Wohnmobilen zwecks leichterem Durchstieg nach hinten üblich links. Sie funktioniert nicht per mechanischem Seilzug, sondern elektrisch, was etwas ungewöhnlich ist. Beim Handling wirkt die Lenkung im Vergleich zum Diesel-Transit eher synthetisch, dafür sehr leichtgängig. Für ein 7-Meter-Kofferfahrzeug erweist sich der StreetScooter-Ford auch als recht handlich, der Wendekreis ist kompakt. Für gute Übersicht sorgt die Heckkamera, die sich bei niedrigerem Tempo auch in Vorwärtsfahrt aktiviert.

Das Instrumentencluster wurde gegen ein StreetScooter-Panel getauscht und informiert in einem zentralen Farbscreen, den man von Ford übernahm und umprogrammierte, über die Reichweite und den Akkustand. Der Energiefluss erklärt sich aus der linken der beiden großen Uhren. Die Rekuperationsstrategie des Work XL ist defensiv und auf langes Rollen ausgelegt, wird überdies automatisch geregelt und ist nicht vom Fahrer beeinflussbar. Das sogenannte Einpedal-Fahren dürfte erst recht mit den erlaubten 1.275 Kilo Nutzlast schwerer fallen als im VW e-Crafter, der stärker rekuperiert oder im Sprinter, der wie bei einem Retarder im Lkw gleich vier per Hebel regelbare Verzögerungsstufen anbietet. Das zulässige Gesamtgewicht wurde übrigens auch beim großen StreetScooter auf Basis der Ausnahmeregelung für E-Transporter angehoben auf 4.050 Kilogramm.

Das erscheint in Anbetracht der großen Akkukapazität auch geboten: Mit 76 kWh in den im eigenen Werk Aachen mit Fremdzellen aus Fernost paketierten Lithium-Ionen-Speichern setzt der StreetScooter auf doppelte Kapazität wie der VW e-Crafter (35 kWh) oder der sogar nur als 3,1-Tonner konfigurierte Renault Master Z.E. (33 kWh) und übertrifft sogar den eSprinter mit den größeren Akkupacks, der dann statt 41 reichweitenstärkere 55 kWh Kapazität bietet. Der Work XL mit seinem Kofferaufbau setzt also eine halbe Klasse oberhalb der klassischen Kastenwagen-Liga an. Laut CEO Achim Kampker plant man aber, auch einen kleineren Akku je nach Anwendung anzubieten. Für die Anforderungen von Deutsche Post DHL hielt man das üppige Maß für vernünftig, man will hier auch im Winter auf Nummer sicher gehen. Das hat neben den Gewichtsnachteilen sicher aber auch Auswirkungen auf den Preis, zu dem der Hersteller sich aber nicht äußern will. Natürlich verlängert sich auch die Ladezeit, der Typ-2-AC-Ladeanschluss erlaubt 11 kW Leistung. Über die vorhandene DC-CCS-Ladeeinheit machte der Hersteller ebenfalls keine Aussage.

Man darf gespannt sein, mit welchem Package der Hersteller schließlich an externe Kunden geht. Ein kompaktes, elektrisches 3,5-Tonner-Fahrgestell mit kleinerem Akku könnte auf rege Nachfrage treffen. Ohne Konkurrenz ist man da allerdings auch nicht mehr: Von den großen OEM will auch Renault mit dem Master Z.E. als Plattform an den Start gehen. Und bei den kleinen Innovatoren machte die hessische Jungfirma I SEE auf der IAA von sich reden mit der Elektrifizierung des Opel Movano, auch als Fahrgestell und Kofferfahrzeug erhältlich, mit 41 oder 55 kWh-Akku. Und just in Hannover präsentierte I See einen elektrifizierten vollwertiges E-Zustellfahrzeug mit Krone-KEP-Shuttle-Aufbau, ein Frontalangriff auf den StreetScooter XL. Schon seit Jahren im Elektrifizierungsgeschäft mit KEP-Transportern ist der schwäbische Umrüster EFA-S, dessen Technik auch Orten Electric Trucks für individuelle Konzepte verwendet, wie etwa einen schweren Sprinter mit Kofferaufbau, der zur IAA präsentiert wurde.

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